Das bestehende Wirtschaftssystem ist an seine Grenzen gestoßen: Das glaubten 2012 mehr als 80 Prozent der befragten Bundesbürger laut einer Bertelsmann-Studie. Doch wo kann das Umdenken beginnen? Lutz Frühbrodt, Professor für Technikjournalismus an der Hochschule Würzburg und Autor des Lehrbuchs Wirtschaftsjournalisms der Journalistischen Praxis, hat beispielhafte Unternehmensstrukturen anhand von Stiftungsunternehmen untersucht. Denn warum soll das Finden einer Alternative nicht von Unternehmen ausgehen?
Als Kriterien für ein soziales Unternehmen legt Frühbrodt an: Es achtet darauf, Waren und Dienstleistungen von hohem Gebrauchswert herzustellen. Es baut keine Sollbruchstellen (Obsoleszenz) in seine Produkte ein. Es verzichtet auf persuasive Methoden des Marketings und setzt stattdessen auf Empfehlung. Dadurch erzielt es hohe Glaubwürdigkeit bei seinen Kunden. Dazu bietet die Rechtsform der Stiftung, insbesondere die Unternehmensstiftung, juristisch und steuerlich gute Möglichkeiten.
„Es wäre allerdings naiv, allein darauf zu hoffen, dass ein langsames Umdenken in den progressiverenTeilen der Unternehmerschaft ausreichen würde, um einen grundlegenden Wandel einzuleiten“, schränkt der Autor die Allgemeingültigkeit seiner Untersuchungen ein. Doch auch, wenn man dies mit bedenkt, liefern seine Beispiele - „Wala“, ein anthroposophisch geführtes Unternehmen, und die „Hoppmann Autowelt“ - überzeugende Argumente dafür, dass ein Unternehmen mit sozialer Verantwortung für seine Mitarbeiter und Kunden nicht nur funktionieren, sondern auch längerfristig am Markt bestehen kann. Lutz Frühbrodt bezieht sich dabei ausdrücklich auf Christian Felber, dessen Buch „Gemeinwohl-Ökonomie“ zu den vieldiskutierten Werken zum Thema gehört, wie sozialer und wirtschaftlicher Wandel umgesetzt werden kann.
Besonders lesenswert sind die „verpassten Chancen“, die der promovierte Wirtschaftshistoriker Frühbrodt aus der Geschichte der Bundesrepublik zusammengetragen hat. Sie reichen vom VW-Konzern bis zur Wiedervereinigung, die Frühbrodt im Sinne des sozialen Unternehmertums mehr oder weniger ganz zu den verpassten Chancen rechnet, gezeigt am Beispiel von Carl Zeiss Jena. Frühbrodt verliert auch nicht aus den Augen, dass neben Stiftungsunternehmen auch Genossenschaften und weitere Rechtsformen einen ökonomischen und gesellschaftlichen Wandel herbeiführen können. Insgesamt eine anregende Lektüre für alle, die nach konkreten Schritten für eine grundlegende Reform in Richtung Wirtschaftsdemokratie suchen.
Lutz Frühbrodt: Das soziale Stiftungsunternehmen. Eine wirtschaftspolitische Alternative, Würzburg 2014, ISBN 978-3-8260-5483-9, 14 Euro.
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