Am 9. Mai 2010 ist Walther von La Roche gestorben – der Gründer und Herausgeber der Reihe Journalistische Praxis, der Journalismus-Lehrer, der langjährige Nachrichtenchef des Bayerischen Rundfunks. Ich habe mit Walther 20 Jahre zusammen gearbeitet, gestattet mir deshalb einige persönliche Anmerkungen.
Ich habe Walther im März 1990 kennen gelernt. Ich hatte damals allen ARD-Nachrichtenredaktionen geschrieben, dass ich auf der Suche nach Material über Nachrichten sei . Die meisten Nachrichtenchefs schickten mir auch Material – bis auf Walther. Der schrieb in seinem wundervollen ruppigen Ton zurück, er habe schon dies und das. Aber das solle ich mir gefälligst selbst abholen. Und so bin ich auf seine Einladung für eine Woche nach München gefahren. Er war meine erste Reise in den Westen. Und bei stundenlangen Gesprächen in seinem Büro und im Augustinerkeller hat er mir alles über Nachrichten und das Radio erzählt, und über das Leben überhaupt.
Das vergangene Wochenende habe ich wehmütig vor großen Papier-Stapeln zugebracht. Es handelt sich um das Nachrichtenarchiv von Walther von La Roche, das er mir vor ein paar Jahren geschenkt hat. In seinem Haus in München hatten Walther und ich nach einem alten Manuskript gesucht, da sagte er plötzlich und betont zornig: „Ach, Junge, was mühe ich mich hier ab. Nimm den ganzen alten Krempel, ich kann das sowieso nicht mehr gebrauchen.“ Und wir beide wussten, dass er mir damit einen großen Schatz vererbte.
Walthers Nachrichtenarchiv: Das sind Broschüren, Aufsätze, eigene Manuskripte, Zeitungsausschnitte, Seminarvorbereitungen, Briefe und vor allem unzählige handschriftliche Notizen, zu allem, was ihm zu Nachrichten ein- oder aufgefallen ist, vom Konjunktiv bis zur Synonymsucht, die es ihm besonders angetan hatte. Wer länger als fünf Minuten mit Walther redete, kannte diese Szene: Walther zückte plötzlich ein kleines Büchlein, nahm einen Stift und kritzelte seine Notiz auf ein buntes Zettelchen. Irgendwo tauchte das dann wieder auf: In einem Vortrag, einem Aufsatz, in einem seiner Bücher oder 10 Jahre später bei einem Gespräch: „Du hattest doch damals am...“
Walthers Nachrichtenarchiv werde ich mir in den nächsten Wochen noch einmal intensiv ansehen. Hier nur einige Anmerkungen zu ein paar Fundstücken.
Bevor Walther 1978 sein Amt als Nachrichtenchef antrat, gab es ein Gespräch mit seinem Chef, in dem er seine Grundsätze darlegen wollte. Walther hatte – wie immer glänzend vorbereitet - seine Positionen notiert, mit der Schreibmaschine auf DIN-A-5-Zetteln: „Für mein Gespräch mit Netzer im Augustiner“. Seine Notizen zeigen, dass er von der Nachricht etwas verstand und dass er in seinem neuen Amt viel bewegen wollte. Ein kleiner Auszug: „Größere Verständlichkeit, stärkere Berücksichtigung von Nachrichten aus Bayern, eigene Recherchen, Rechercheur vom Dienst, erklärende Einschübe, Versuche mit verschiedenen Formen von Nachrichtensendungen, Abbau des Nachrichtenghettos durch stärkere Durchlässigkeit, befristete Tätigkeit von Nachrichtenredakteuren als Korrespondenten oder Reporter, Entdeckung neuer Talente, Erarbeitung gemeinsamer Redaktionsstandards, Personalverstärkung, Schritte der HA in Richtung auf einen Aktuellen Dienst...“
Das waren die Grundsätze, für die Walther 18 Jahre lang gefochten hat, nicht nur beim BR, sondern auch im Kreis der ARD-Nachrichtenchefs. In dieser Runde war Walther von La Roche der unangefochtene Wortführer. 1979 verfasste er gemeinsam mit seinen Kollegen ein Papier, das für Schlagzeilen sorgte. Auf 15 bemerkenswerten Seiten forderten sie „klare Zukunftsperspektiven für die Nachrichtenredaktionen“, die „angesichts der programmlichen und technischen Veränderungen personell und finanziell ausgestattet werden müssen“.
„Die Nachricht ist die Grundlage und die Krönung des Journalismus“, hat Walther von La Roche bereits 1976 geschrieben. Für ihn war das keine Floskel. Mit seiner Leidenschaft für die Nachricht hat Walther mehrere Generationen junger Journalisten angesteckt, auch mich.
Dietz Schwiesau